Pranav Gupta, Facharzt für Anästhesiologie & Schmerzmedizin
Chronische Knieschmerzen gehören zu den häufigsten und zugleich funktionell einschränkendsten Schmerzsyndromen in der klinischen Praxis.
Während frühe Arthrose und Überlastungssyndrome häufig gut auf Physiotherapie, Aktivitätsanpassung und medikamentöse Therapie ansprechen, bleibt bei einem erheblichen Teil der Patientinnen und Patienten die Schmerzsymptomatik persistierend – selbst nach Operationen.
In solchen Fällen bietet die interventionelle Schmerzmedizin gezielte, minimalinvasive und evidenzbasierte Verfahren, die Funktion und Lebensqualität deutlich verbessern können – häufig als Brücke zwischen konservativer Therapie und operativen Eingriffen.
Knieschmerzen können aus mehreren, teils überlappenden Strukturen entstehen:
- Intraartikulär (degenerative Knorpelveränderungen, Synovitis)
- Periartikulär (Bursen, Sehnenansätze, myofasziale Überlastung)
- Neural (Sensibilisierung der genikulären Nerven, Saphenus-Kompression, übertragene Schmerzen)
Bildgebung wie MRT oder Ultraschall zeigt strukturelle Veränderungen, doch bleiben diagnostische Nervenblockaden die direkteste Möglichkeit, den relevanten Schmerzgenerator – insbesondere bei chronischen oder postoperativen Knieschmerzen – präzise zu lokalisieren.
1. Intraartikuläre Infiltrationen
Gezielte Injektionen von Kortikosteroiden oder Hyaluronsäure können Entzündung und Schmerz reduzieren und die Beweglichkeit verbessern.
Die Ultraschallführung ermöglicht eine sichere und punktgenaue intraartikuläre Platzierung.
2. Genikuläre Nervenblockaden und Radiofrequenzablation (RFA)
Kleine sensomotorische Nervenäste (superior medial/lateral, inferior medial) können unter Ultraschall oder Durchleuchtung gezielt blockiert werden.
Führt die Blockade zu relevanter Schmerzlinderung, kann eine Radiofrequenzablation eine länger anhaltende Wirkung (6–12 Monate) erzielen, indem die Schmerzleitung thermisch moduliert wird.
Die moderne Cooled RFA (CRFA) erzeugt mittels wassergekühlter Sonde eine größere, sphärischere Läsion – mit besserer Nervenabdeckung und längerer Wirkdauer (Davis et al., 2018).
3. Kryoneurolyse (Cryoablation)
Cryoablation arbeitet mit extremen Temperaturen (–60 bis –80 °C) und führt zu einem reversiblen Nervenblock, während umliegende Strukturen geschont bleiben.
Sie eignet sich besonders für postoperative Knieschmerzen oder Knieprothesen, bei denen hitzebasierte Verfahren limitiert sind.
Aktuelle RCTs zeigen eine deutliche Schmerzreduktion über bis zu 6 Monate (Sasaki et al., 2021).
4. Gepulste Radiofrequenz (PRF)
PRF gibt kurze elektrische Impulse bei subdestruktiven Temperaturen (~42 °C) ab und moduliert die nozizeptive Signalweiterleitung, ohne Axone zu zerstören.
Ideal bei neuropathischen oder gemischten Schmerzmechanismen, z. B. am N. saphenus oder N. obturatorius.
5. Periphere Neuromodulation
Die nächste Evolutionsstufe der Schmerztherapie.
Perkutane genikuläre Nervenstimulation (PGNS) und miniaturisierte Neurostimulatoren ermöglichen eine reversible elektrische Modulation der Schmerzverarbeitung.
Studien zeigen 50–70 % Responderraten bei refraktären Fällen von Gonarthrose und postoperativer Neuralgie (Ilfeld et al., 2022).
Die Zukunft der Kniearthrose-Behandlung integriert zunehmend biologische und regenerative Therapieansätze.
Platelet-Rich Plasma (PRP)
Autologe Thrombozytenkonzentrate liefern Wachstumsfaktoren, reduzieren Entzündungen und fördern die Chondrozytenaktivität.
Mehrere Metaanalysen zeigen bessere Langzeitergebnisse als Hyaluronsäure.
Bone Marrow Aspirate Concentrate (BMAC) & Stammzelltherapie
BMAC und mesenchymale Stromazellen werden für Knorpelregeneration und Schmerzlinderung untersucht – derzeit in Europa eher adjunktiv oder experimentell (Krych et al., 2022).
Mikrofragmentiertes Fettgewebe (MFAT)
Ein vielversprechendes autologes Verfahren, bei dem minimal verarbeitetes Fettgewebe intraartikulär injiziert wird.
MFAT setzt antiinflammatorische Zytokine und Exosomen frei und zeigt Verbesserung über bis zu 24 Monate bei früher Arthrose (Migliorini et al., 2023).
Die Schmerzreduktion durch Interventionen schafft ein therapeutisches Zeitfenster, in dem funktionelle Therapie besonders wirksam ist.
Physiotherapie, MTT, neuromuskuläre Re-Konditionierung und Aktivitätsaufbau sind essenziell, um langfristige Verbesserungen zu sichern.
Am Swiss Pain Institute bildet diese multimodale Integration den Kern unseres Behandlungskonzeptes.
Chronische Knieschmerzen sind kein rein degeneratives Problem – sie entstehen durch das Zusammenspiel von mechanischen, inflammatorischen und neurogenen Faktoren.
Die moderne Schmerzmedizin bietet eine breite Palette gezielter, risikoarmer und wirksamer Interventionen, die eine Operation verzögern oder sogar vermeiden sowie die Lebensqualität nachhaltig verbessern können.
1. Choi WJ et al., Pain 2011;152(3):481–487.
2. Davis T et al., Reg Anesth Pain Med 2018;43(1):84–91.
3. Sasaki E et al., JBJS Am 2021;103:1401–1411.
4. Migliorini F et al., Cartilage 2023;14(2):…
5. Ilfeld BM et al., Pain Med 2022;23:703–712.
6. Krych AJ et al., Mayo Clin Proc 2022;97:286–299.
7. ESRA Guidelines 2021.
8. NICE IPG491 (2023 update).